Der stille Sammler by Masterman Becky

Der stille Sammler by Masterman Becky

Autor:Masterman, Becky [Masterman, Becky]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Thriller
Herausgeber: Bastei Lübbe (Lübbe Hardcover)
veröffentlicht: 2013-04-18T22:00:00+00:00


27.

Um zu demonstrieren, dass mich keine allzu großen Schuldgefühle plagten, erschien ich mit viertelstündiger Verspätung im Büro des Gerichtsmediziners. Ich nannte dem Mann am Empfang den Grund meines Erscheinens und wurde in den Autopsieraum geführt, wo George Manriquez bereits etwas aufgeschnitten hatte, was von der Tür aus wie ein pastellblauer Seelöwe aussah und sehr viel schlimmer stank als ein alter Fisch. Ich hielt inne, um mich an den Gestank zu gewöhnen, und hörte Manriquez während der Arbeit in ein Mikrofon diktieren, das über dem Tisch von der Decke hing.

»Männlicher Weißer, eins achtzig groß, Gewicht etwa sechsundsechzig Kilo. Angesichts des Zustands fortgeschrittener Verwesung ist der genaue Todeszeitpunkt schwer zu bestimmen.« Er wandte sich an Max und fuhr weniger förmlich fort: »Aufgrund der Hitze und der Feuchtigkeit im Innern des Vans könnte die Verwesung viel schneller fortgeschritten sein als üblich.«

»Was schätzen Sie, Doc?«, fragte Max.

»Könnte irgendwann zwischen höchstens vier Tagen und mindestens achtundvierzig Stunden gewesen sein. Tut mir leid, wenn ich nicht so präzise sein kann wie meine Kollegen in den Fernsehserien.«

»Aber er ist mindestens zwei Tage tot. Habe ich das richtig verstanden, Doc?«

»Ja. Geben Sie mir ein bisschen Zeit, dann rufe ich einen Spezialisten an, der die Temperatur im Innern des Vans in Bezug zur Insektenaktivität setzt. Dann kann ich vielleicht Genaueres sagen.«

Schließlich hob Manriquez den Kopf und blickte mich neugierig an. Für jemanden, der vor vier Jahren aus dem Dienst ausgeschieden war, hatte er mich in den vergangenen Tagen definitiv zu oft gesehen.

Max erbarmte sich meiner und reichte mir Mentholatum, das ich mir unter die Nase schmieren konnte. Es half gegen den Verwesungsgestank, der so intensiv war, dass er sich wie Öl auf der Haut anfühlte.

Doch er ließ mich die gesamte Autopsie verfolgen, während er mich beobachtete, von der äußerlichen Untersuchung über den y-förmigen Einschnitt bis zu dem Punkt, wo sie die Kopfhaut von hinten über das Gesicht stülpen und die Schädeldecke mit einer Spezialsäge öffnen – mit einem Geräusch, als würde man Zähne von hinten aufbohren. Während Manriquez den Leichnam bearbeitete, zerquetschte er mit einem latexgeschützten Daumen geistesabwesend ein paar übrig gebliebene Maden, diktierte seinen Befund in das Mikrofon und redete zu uns. Selbst der Assistent, der die Organe zum Wiegen und Fotografieren entgegennahm und zurückbrachte, sah ein wenig grün im Gesicht aus. Niemand hat Spaß an einer verfaulten Leiche.

»Das hier ist eigenartig«, sagte Manriquez und betastete mit dem rechten Zeigefinger einen verrotteten Schnitt im linken Oberschenkel des Toten. »Angesichts der fortgeschrittenen Verwesung ist es schwer zu sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass dieser Schnitt hier nicht postmortal erfolgte. Neben der Leiche wurde auf dem Boden ein Kartonschneider gefunden, sagten Sie?«

Max nickte. »Genau genommen auf dem Dach. Der Wagen lag ja auf dem Kopf.«

»Ich hätte zum Fundort kommen sollen.«

»Wir haben versucht, Sie zu erreichen.«

»Die Wunde könnte von dem Kartonschneider herrühren. Oder von einer anderen scharfen Klinge. Ich glaube jedenfalls nicht, dass diese Wunde von einem Unfall herrührt.«

»Sie sind sicher, dass es kein Selbstmord war?«, fragte Max.

»Das wäre eine äußest schmerzhafte Art, aus dem Leben zu scheiden.



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